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Polnischer Kreuzweg, 1967

Gedanken zu den Holzschnitten, die in unserer Kirche hängen

In der St. Philippus-Kirche befindet sich der „Polnische Kreuzweg“ von HAP Grieshaber aus dem Jahr 1967, von dem drei Beispiele hier abgebildet sind. HAP Grieshaber (1909 – 1981) war zu seiner Zeit als der international bedeutendste Holzschneider bekannt, der in den 14 Farbholzschnitten die Passionserzählung als Auseinandersetzung mit menschlichen Schicksalen wiedergibt. 

 

11. Station: Jesus wird ans Kreuz geschlagen

Fast brutal gestaltet der Künstler die Nagelungsszene. Hämmer Nägel, Zange, ein verblüffender Realismus, alles liegt perfekt bereit. Jesus liegt am Boden, sein Körper stürzt nach vorn aus dem Bild heraus – uns entgegen. Können wir ihn auffangen – sein Leiden lindern? Schmerzverzerrt mit abgespreizten Fingern ragt der rechte Arm in den Himmel, wie der Schrei einer gequälten Kreatur. Parallelen dieser Gestik finden wir an anderer Stelle in der modernen Kunst, z. B. in dem berühmten Bild von Picasso „Guernica“ oder in der bekannten Plastik von Ossip Zadkine „Die zerstörte Stadt“ (Rotterdam).

 

12. Station: Jesus am Kreuz 

Hoch ragt das Kreuz in den Himmel, so hoch, dass der Kopf des Gekreuzigten außerhalb des Bildes zu denken ist. Von nur zwei Platten gedruckt, als einziges Bild des Kreuzweges, verwischen sich silbergrau und schwarz zu einer düsteren Einheit und geben so die Stimmung am Kreuz erbarmungslos wieder. Unter dem Kreuz knien die Frauen und geben ihrer Trauer durch bitterliches Weinen Ausdruck. Die Figur am rechten Bildrand wendet sich von Jesus ab. Es ist der Legende nach Stefaton, der Mensch, der in Jesus nicht den Christus erkennt und sich so von ihm abwendet. 

 

 13. Station: Jesus wird vom Kreuz genommen und der Mutter in den Schoß gelegt

Im Mittelalter mit der Ausbreitung der Marienlegenden wurden die Kreuzigungsberichte der Bibel durch die Legende erweitert, man habe der Mutter Maria den Leichnam in den Schoß gelegt. Wenn auch Legende, so stehen wir hier vor einem der größten Themen in der Kunst des christlichen Abendlandes. Die Pietà, die Beweinung Christi, tausendmal von hunderten von Künstlern in vielen Variationen gemalt, geschnitten, geschnitzt, gegossen, geformt, und immer wieder ging es nur um dieses eine Thema – die Liebe der Mutter zu ihrem Kind. In Grieshabers Holzschnitt füllt die Gestalt der Mutter fast das ganze Bild aus, wie eine Urmutter, in deren Schoß der gestorbene Sohn Schutz und Geborgenheit findet. Wieder kann man das Antlitz Jesu Christi nicht erkennen. Weinrot ist die Farbe des Blattes, erinnert an Blut, an all die Wunden, Morde, Hinrichtungen, ein zeitloses Bild über den Schmerz der Mütter dieser Welt über ihre getöteten Kinder. 

                                                            

Volker Dallmeier